Seit dem 28. Juni 2021 in den Abendstunden haben wir dich nicht mehr gesehen. Das grausamste Unwetter, das ich je erlebt hatte, überkam uns so plötzlich, wie es vorbei war. Es wurde zuerst gelb, dann schwarz, es blies alles im Garten in die Lüfte und dann fielen lauter dichte Tennisbälle vom Himmel. Alles innerhalb von wenigen Minuten. Wir haben unsere Haustür und das Garagentor aufgemacht, damit ihr Katzen sofort unter das sichere Dach fliehen konntet. Aber es kam keine von euch hinein. Ich habe auch schon gehört, dass sich Katzen bei Unwetter draussen in einem Unterschlupf sicherer fühlen, als in einem vom Sturm umtobten Haus. Verständlich!

Dass du, Tabrizi, es nicht geschafft hast, dich davor zu schützen, macht mich heute noch sehr traurig. Ich hoffe innigst, du hast nicht gelitten. Ich habe dich überall gesucht, wo ich konnte. Eric und ich haben alle Holzhaufen am Rand des Waldes und der Hecken abgebaut, weil wir vermuteten, du liegst verletzt in einem Unterschlupf. Drei Wochen ging die intensive Suche, bis ich aufgeben musste. Der Schmerz war gross, als hätte ich ein Kind verloren. Ein wunderschönes Katzenkind mit glänzendem, schwarzem Fell und den hellgrünen Augen, dem braunen Fleck am Bauch und dem Schnäuzchen, welches mich immer so zärtlich neckisch anschaute. Dein Wälzen im Garten und im Stall auf dem Tanzteppich war so lustig und bewegt.

Auch eine wunderschöne Erinnerung ist, wie du kurz vor dem Unwetter im Stall auf deiner Wolldecke gedöst hast, während ich «Innerland» tanzte. An diesem Tag wusste ich nämlich, dass die Musik zu «Innerland» vollendet war. Diese Musik war für dich das Selbstverständlichste in deinem Leben, sowohl in deinen Träumen als auch im Schlaf. Draussen hast du mich immer schon von weitem gespürt und ranntest mir miauend und jauchzend vom Hügel entgegen.

Während deiner drei Lebensjahre haben Eric und ich dich fünf Mal von hohen Bäumen gerettet, weil zu den Vögeln hinaufzuklettern immer so leicht für dich war, aber du dich nach einem ersten Missgeschick nicht mehr runter trautest. Tabi, ich hätte dich so gerne an diesem 28. Juni ein sechstes Mal gerettet. Man sagt doch, ihr Katzen habt sieben Leben!

Vier Tage nach diesem Unwetter sah ich dich im Traum. Du hattest graue Asche auf deinem Fell und warst ganz mager. Du bist im Stall auf deinem Tisch gesessen. Ich hatte Angst, du stirbst. Als ich meine Arme über dich legte und sagte: «Tabi, ist das schön – du bist wieder da», hast du laut geschnurrt. Ein paar Tage später habe ich dich draussen wiedergesehen, du ranntest freudig den Hügel hinunter: «Tabibu!»

Annehmen, loslassen… Ich «sehe» dich, ich fühle dich und ich bin dankbar, dass ich dich kennenlernen durfte.

«Innerland» habe ich Tabrizi gewidmet.